Ein wesentliches Element in einer dynamischen VUCA-Welt ist die nachhaltige Selbstorganisation von Teams. Dazu ist die Gestaltung eines transparenten Entscheidungsprozesses notwendig, welcher rasche Entscheidungen dort ermöglicht, wo die Kompetenzen und Expertise liegen. Das Tool «Delegation Poker» von Jurgen Appelo[1] bietet an dieser Stelle für die Führungskraft eine spielerische Möglichkeit, zusammen mit dem Team über die Delegation von Aufgaben, Entscheidungen und Verantwortung auf Augenhöhe zu diskutieren und sich auseinanderzusetzen.
Das einfache Kartenspiel kann mit dem «Delegation Board» als schlichtes Werkzeug ergänzt werden. Dies ermöglicht, die Art der Delegation zwischen einer Führungskraft und seinem Team mit den gegenseitigen Erwartungen offen und transparent darzulegen und zu kommunizieren.
Vorgehen & Arbeitsschritte
Vor Beginn des Treffens hat sich das Team erste einfache Szenarien überlegt, in denen teamrelevante Entscheidungen getroffen werden müssen. Am Meeting wird nach einer Einführung das Delegation-Modell erklärt und jedem Teilnehmer ein Satz mit sieben Karten ausgehändigt.
Jede Karte repräsentiert eine unterschiedliche Ebene der Delegation:
- «Verkünden»: die Führungskraft teilt dem Team lediglich die Entscheidung mit.
- «Verkaufen»: die Führungskraft entscheidet und versucht das Team zu überzeugen.
- «Befragen»: die Führungskraft holt sich vor ihrer Entscheidung Rat beim Team ein.
- «Einigen»: die Führungskraft und das Team versuchen gemeinsam einen Konsens zu finden.
- «Beraten»: das Team holt sich vor ihrer Entscheidung Rat bei der Führungskraft ein.
- «Erkundigen»: das Team entscheidet und die Führungskraft erkundigt sich.
- «Delegieren»: das Team entscheidet vollkommen autonom.
Let’s play
Darauf wird für jedes vorbereitete Szenario «Delegation Poker» in folgenden Schritten gespielt:
- Schritt: Eine Person liest ein Szenario laut vor oder schildert einen Fall aus eigener Erfahrung.
- Schritt: Jedes Team-Mitglied überlegt sich nun im Stillen, welches Delegations-Level er bei dieser Entscheidung wählen würde und legt die entsprechende Karte verdeckt auf den Tisch.
- Schritt: Sobald alle Spieler gewählt haben, werden die Karten gleichzeitig aufgedeckt.
- Schritt: Die Spieler mit der höchsten und niedrigsten Karte erklären die Gründe ihrer Position, während die anderen schweigend zuhören. Dies ist die Grundlage für eine anschliessende zeitlich begrenzte Diskussion, damit in einer weiteren Spielrunde ein Konsens erzielt werden kann[2].
Auf diese Weise werden alle Szenarien abgefragt und die Ergebnisse sichtbar auf einem «Delegation Board» dokumentiert. Zum Schluss wird ermittelt, wie und ab wann jede Aufgabe testweise bis zur Wiederholung des Spiels delegiert werden soll. Wurde bei einem Szenario kein Konsens erreicht, wird die Delegations-Ebene anhand einer vorher abgemachten Regel – etwa auf den zweithöchsten Wert aller Einschätzungen – festgelegt.
Chancen & Gefahren
«Delegation Poker» hilft, sich ohne Risiko der Delegation von Entscheidungen und Aufgaben an das Team zu nähern und ein Gespür für den jeweils richtigen Grad der Delegation zu erhalten. Die Schwierigkeit ist, im Spannungsfeld der Delegations-Ebenen die Unterscheidung zwischen Team und einzelner Mitarbeiter gedanklich zu trennen, damit adäquate Resultate entstehen.
Reflexion & Wirkung
Entscheidend bei «Delegation Poker» ist die Tatsache, dass ein Dialog in Gang gesetzt wird. Bei höherer Maturität der Entscheidungsfindung allenfalls auch über heikle oder sogar Tabu-Themen. Ein perfektes Ergebnis wird sekundär. Die Wirkung ist, dass die Mitarbeiter auch im Nachgang – z.B. in der Kaffeepause – beginnen, über Entscheidungskompetenzen zu diskutieren. Dies im Wissen darum, dass die Entscheidung spätestens bei der nächsten Wiederholung korrigiert werden kann. Es entsteht ein offener, wertschätzender Austausch zwischen Führung und Team bei welchem alle über die Zeit lernen, gemeinsame Übereinkünfte auf Vertrauensbasis zu treffen. Eine zusätzliche Wirkungssteigerung mit hoher Signalwirkung wird erzielt, wenn als weiterer Schritt das «Delegation Board» sichtbar für alle Mitarbeiter im Unternehmen an der Wand aufgehängt und laufend erweitert wird. Wann immer erforderlich, können sich so alle darauf beziehen.
[1] Appelo, Jurgen (2011). Management 3.0: Leading Agile Developers, Developing Agile Leaders, 1. Auflage, Addison-Wesley Longman, Amsterdam. Auf seiner Website www.management30.com bietet Appelo die Spielkarten zum kostenlosen Download an.
[2] Die höchste und/oder niedrigste Karte kann ignoriert werden, sofern sie nur von einem Spieler gewählt wurde. Damit wird verhindert, dass eine Person ständig sieben wählt, ein Vorgesetzter die Kontrolle behalten möchte oder ein Einzelner keine Verantwortung will.